Leading by Momo – Chancen suchen oder Risiken vermeiden?

Datum
24.10.2023
Autor*in
Ralf Lanwehr
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Ob Vorgesetzte eher Katastrophen verhindern oder Entwicklungen vorantreiben möchten, ist entscheidende Stellschraube für ihren Führungserfolg.

Momo hat im Roman von Michael Ende eine besondere Gabe. Sie kann Menschen so gut zuhören, dass sie zu sich finden, neue Kraft schöpfen und fortan vor Ideen sprühend durchs Leben laufen. Doch irgendwann kommen die grauen Herren, kahlköpfig, gleichförmig und rauchend. Sie geben vor, dass sie Zeit sparen. Sie leben in einer Welt der Regeln. Und Sie verfolgen Abweichungen von der Norm zum Wohle der Allgemeinheit.

 

Katastrophen verhindern oder Entwicklung voranbringen?

In Organisationen ist das so ähnlich. Beide Ansätze sind beliebt. Wie ist das bei Euch? Sucht Ihr Chancen oder vermeidet Ihr Risiken? So eindeutig ist die Lösung nicht. Denn wer sich verbessern möchte, hat die Wahl zwischen diesen Optionen. Entweder man fördert systematisch innovative Lösungen und sorgt damit für Durchbrüche. Oder man verhindert aktiv die größten Katastrophen und hebt dadurch den Schnitt. Mit diesen beiden Optionen gehen zugleich auch zwei Gefahren einher. Durch Förderung innovativer Lösungen werden Fehler wahrscheinlicher. Durch Strukturen zum Verhindern von Katastrophen hemmt man Spitzenleistungen.

 

Was ist sinnvoller?

Die empirische Antwort ist eindeutig. Ein Fokus auf Vermeidung ist schlecht. Und das gleich aus zwei Gründen. Führungskräfte mit Fokus auf Vermeidung neigen erstens dazu, die Entscheidungen ihrer Teams fehlerhaft zu überstimmen. Ein Fokus auf Fehlervermeidung führt selbst zu Fehlern, weil man sinnvolle Dinge nicht macht. Lustig oder? Der zweite Effekt ist langweiliger, aber keineswegs unwichtiger. Ein Vermeidungsfokus führt im Mittel zu geringeren Leistungssteigerungen als eine Chancenorientierung.

 

Folgen von Risikovermeidung

Wenn sich eine Organisation, eine Geschäftsführung oder eine Führungskraft für einen Vermeidungsfokus entscheidet, dann bleibt das nämlich nicht ohne Konsequenzen. Solch eine Haltung prägt die Kultur. Sie suppt durch die Organisation. Und sie verhält sich so ein bisschen wie bunte Klamotten bei der ersten Wäsche: sie färbt ab.

Natürlich kann es unter bestimmten Bedingungen durchaus sinnvoll sein, sich für einen Vermeidungsfokus zu entscheiden. Es gibt jedoch drei negative Mechanismen, die in solch einem Fall in Kauf zu nehmen sind:

  • Durch einen Fokus auf Vermeidung werden Menschen ängstlicher. Fehler helfen aber herauszufinden, wie etwas nicht funktioniert. Stichwort psychologische Sicherheit.
  • Je mehr die Vermeidung von Fehlern im Vordergrund steht, desto weniger suchen Menschen nach neuen Horizonten und Möglichkeiten. Sie verlieren ihre Neugierde.
  • Und schließlich ist das Herumhacken auf Fehlern und deren Vermeidung schlecht für die Stimmung. Das Team hat weniger Spaß an der Arbeit.

Je mehr es Euch auf also innovative Ergebnisse, kreative Ideen und herausragende Qualität ankommt, desto mehr muss sich der Blick auf Chancen richten. Klar ist es schwierig, aus dem gemütlichen, politisch opportunen Schneckenhaus des Vermeidungsdenkens herauszufinden. Aber es geht.

 

Leading by Momo

Ich würde das besonders gerne vielen Institutionen im öffentlichen Dienst zurufen. Graue Herren überwachen bis heute an vielen Orten gestreng das Befolgen eines Dschungels an Regeln. Das ist jedoch keine gute Wahl. Der Clou der grauen Herren bei Michael Ende besteht übrigens in einem Betrug. In Wirklichkeit sparen die grauen Herren gar eine Zeit. Sondern sie stehlen sie. Insofern seid bitte keine grauen Herren.

Macht es stattdessen wie Momo: Zuhören, ermutigen und inspirieren. Das sind zentrale Hebel von Führungserfolg. Leading by Momo!

 

Literatur

Fischer, S., Frese, M., Mertins, J. C., & Hardt‐Gawron, J. V. (2018). The role of error management culture for firm and individual innovativeness. Applied Psychology67(3), 428-453.

Pearsall, M. J., Christian, J. S., Burgess, R. V., & Leigh, A. (2023). Preventing success: How a prevention focus causes leaders to overrule good ideas and reduce team performance gains. Journal of Applied Psychology, 108(7), 1121-1136.

 

Bildquelle: https://unsplash.com/de/fotos/person-mit-brennenden-wunderkerzen-in-der-hand-abkEAOjnY0s?utm_content=creditCopyText&utm_medium=referral&utm_source=unsplash