Stutenbissigkeit unter Löwinnen – Führen Männer und Frauen unterschiedlich?

Datum
16.10.2024
Autor*in
Prof. Dr. Ralf Lanwehr
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Führen Männer und Frauen unterschiedlich?

Vorurteile über Frauen und Männer in der Führung gibt es einige. Doch welche stimmen und welche nicht?

Neulich gab es ordentlich Zoff in der „Höhle der Löwen“. Tijen Onaran hat zwei Vertreterinnen eines Start-ups relativ schroff abgekanzelt. Daraufhin gab es noch in der Sendung Zoff mit Mitjurorin Judith Williams. Es gibt einen Namen für das Phänomen, dass Frauen in Autoritäts- oder Machtpositionen untergeordnete Frauen systematisch schlechter behandeln als Männer: „Queen Bee Syndrome“. Im Deutschen kennen wir zusätzlich den noch weiter gefassten Begriff der Stutenbissigkeit. ABER wissenschaftlich wird immer klarer, dass es sich dabei wohl um einen Wahrnehmungsfehler handelt.

Wenn man mit Fragebögen die Wahrnehmung erfasst, dann ist dieses Queen Bee Syndrome durchaus nachweisbar. Frauen treten demnach im Vergleich zu Männern eher hart gegen Frauen nach unten, wenn sie in Machtpositionen angekommen sind. Doch wenn man konkretes Verhalten (quasi-)experimentell beobachtet, zeigt sich nichts dergleichen, sondern eher das Gegenteil.

Eine naheliegende Erklärung dafür ist ein Wahrnehmungsfehler. Wenn wir eine Frau in einer Machtposition beobachten, die gegen eine Frau in einer unterlegenen Position austeilt, dann fällt das besonders ins Auge. In der Psychologie nennt sich so etwas „Salienz“. Wenn also Tijen Onaran eine andere Frau aus dem hohen Sessel abkanzelt, ist das augenscheinlicher als bei einem Mann. So nach dem Motto: „Von Männern erwarten wir ja nichts anders. Aber von einer Frau muss schon mehr Verständnis kommen.“ Problematisch daran sind gleich mehrere Punkte:

  1. Erstens wird ein strukturelles Problem auf die Frauen abgewälzt. Das ist das Gegenteil von „Fix the system, don’t fix the women“.
  2. Zweitens zeigt sich daran einmal mehr, wie vorsichtig wir bei der Erhebung von Verhaltensinterpretationen sein müssen und wie wichtig (quasi-)experimentelle Daten sind.
  3. Drittens mag die Kritik an anderen Frauen gut gemeint sein. Letztendlich wird dadurch aber ein im Kern frauenfeindliches Narrativ bedient. Vorsicht.

 

Welche Vorurteile gibt's sonst noch?

So ähnlich wie bei dem Queen Bee Syndrome ist das auch mit dem häufig anzutreffenden Vorurteil, dass sich Frauen in Führungspositionen eher um den Menschen und Männer sich eher um die Sache kümmern. Fragst du die Leute in Fragebögen danach, bestätigt sich das. Beobachtest du aber das Verhalten von Menschen im echten Leben, löst sich der Unterschied in Luft auf. Schaut euch dazu gern die tolle Forschung aus Deutschland an.

Und gerade wurde das nächste Vorurteil abgeräumt. Dieses Mal ging es um ein für Frauen positives Phänomen: Schütteln Frauen in Krisen die besseren Strategien aus dem Ärmel? Ein internationales All-Star-Team weist in einer aktuell in „Leadership Quarterly“ erschienenen Arbeit nach: nö. Kannste knicken.

Es gibt bestimmt viele Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Aber in der Führung nicht. Da liegt der Fehler im System. Frauen und Männer führen ähnlich. Und sie führen ähnlich gut.

 

Damit sind die Schlussfolgerungen auch klar, oder?

  • Wo kriegen wir brauchbare Führungskräfte her? Wenn wir insgesamt besser werden und brachliegende Potenziale heben wollen, dann müssen wir „systematisch“ mehr Frauen in Führung bringen.
  • Woher bekomme ich brauchbares Wissen? Moderne Spitzenforschung ist (quasi-)experimentell. Sie führt Erkenntnisse aus dem Labor mit Beobachtungen aus dem wirklichen Leben zusammen. Korrelationen sind von gestern.
  • Warum sind Veröffentlichungen von Beratungen mit Vorsicht zu genießen? Weil die Zeug verkaufen möchten. Fragt euch am besten: Würden die das auch publizieren, wenn das Gegenteil rausbekommen wäre? Nein? Dann sorry, not sorry.

 

Quellen:

Bildquelle: https://de.freepik.com/fotos-kostenlos/praechtige-loewin-in-der-naehe-der-baeume_8755451.htm