Purpose: Aufstieg und Fall einer Management-Mode

Unternehmen erfanden neue Leitbilder, Berater erarbeiteten Konzepte – vor einiger Zeit war Purpose noch in aller Munde. Nur wenn Mitarbeitende Sinn und Orientierung erleben, klappt es auch mit der Transformation. Doch inzwischen herrscht Ernüchterung. Warum?

Ein kurzer Blick zurück: Um 2020 erlebte das Thema Purpose eine beeindruckende Karriere in Führungsetagen, Unternehmensberatungen und Managementmedien. Die „große Purpose Studie“ einer bekannten Unternehmensberatung sprach damals von einer neuen strategischen Kategorie, die weit über Kommunikationsbotschaften hinausgehe: „Purpose ist mehr als Kommunikation – er ist strategischer Erfolgsfaktor.”

Purpose wurde zur Antwort auf drängende Fragen: Wie können Unternehmen Orientierung stiften in einer Welt des Wandels? Wie motiviert man junge Talente? Wie gelingt Transformation nicht nur technisch, sondern auch kulturell? Organisationen sollten ihr "Warum" klären und es sichtbar machen. Das sei etwas ganz anderes als Vision und müsse entsprechend getrennt entwickelt werden. Purpose wurde zur „neuen Währung der Führung“.

Und heute? Dieselbe Beratung, die Purpose vor Kurzem noch zur Wunderwaffe ausgerufen hatte, stellt heute ernüchtert fest: „Purpose, Vision und Mission […] transformieren nicht.“ Die tatsächlichen Hebel für den Weg in die Zukunft lägen in Strukturen, Prozessen und Systemen – nicht in Narrativen. Aber was ist passiert? Wie kann ein Konzept, das vor wenigen Jahren als essenziell galt, heute so krass Federn gelassen haben? Mit diesem Artikel wollen wir dabei helfen, dieses Paradoxon zu verstehen. Doch zuvor müssen wir uns durch den dichten Dschungel der Worthülsen und Buzzwords schlagen, um den Weg in Richtung Purpose freizulegen.

 

Werte, Why, Visionen: Ein semantisches Durcheinander

Führung hat ein Luxusproblem. Es gibt zu viele Worthülsen für zu ähnliche Dinge: Why, Purpose, Mattering, Sinn, Vision, Werte. Da verliert man schnell den Überblick. Wo ist der Unterschied?

Nehmen wir mal Simon Sinek und schauen auf dessen Beispiel zum "Why" vom Techunternehmen Apple: “We [Apple] make great computers. They’re beautifully designed, simple to use, and user-friendly.” Das hat aber mit "Why" nichts zu tun. Das sind Werte: Design, Einfachheit, Bedienfreundlichkeit. Normvorstellungen, die definieren, was für Apple wünschenswert ist. Daraus entsteht eine Vision, wie Apple-Produkte zu sein haben. Ein Zielbild.

Steve Jobs sagte das übrigens höchstselbst in einfachen Worten. Man muss ihm nur zuhören. Er redet nicht von "Why". Er redet von Werten. In seiner berühmten Keynote "Don’t talk about the product" sagt er das sogar wörtlich: “To me, Marketing is about values”. Und ja, er meint damit jene Normvorstellungen, die seine Vision von Apple prägen. Purpose zeigt sich jedoch im individuellen oder kollektiven Gefühl, ob Apple noch auf Kurs ist.

Viel Trara um kleine Unterschiede. Am Ende geht es nicht um die schönste Worthülse, sondern darum, ob Wirkung dahintersteckt. Und hier beginnt das Problem: Purpose klingt groß und bleibt doch oft folgenlos. Drei Perspektiven helfen, das Paradoxon rund um Purpose zu verstehen.

Wenn man das kombiniert und für sich greifbar macht, erhält man ein nützliches Verständnis abseits der gängigen Buzzwords und Floskeln.

 

I. Wenn Führung nur noch Führung spielt

Zwei Führungsforscher, Thomas Fischer und Mats Alvesson, haben vor kurzem ein Konzept vorgelegt: die Leadership Meta Talk Theory (Fischer & Alvesson, 2025). Meta Talk ist das Reden über Führung – nicht Führung selbst. Es sind Aussagen wie „Wir wollen Menschen stärken“, „Sinn steht bei uns im Zentrum“ oder „Wir führen mit Purpose“. Klingt nach Führung, ist es aber nicht. Stattdessen entsteht ein Talking-Doing-Gap: Führung wird inszeniert, aber nicht gelebt. Und dennoch funktioniert Meta Talk erstaunlich gut. Warum ist das so?

Purpose war das perfekte Meta-Talk-Instrument: schwer zu greifen, moralisch aufgeladen, kommunikativ dankbar. Aber ohne Verhalten wird Purpose zur Verpackung ohne Produkt. Meta Talk über Führung ist eine wahnsinnig freche Frucht: Sie sieht köstlich aus, kann aber giftig sein. Und das ist die Parallele zum Purpose-Gelaber vergangener Tage. Man muss die luftigen Statements irgendwie auf den Boden holen.

 

II. Purpose zwischen Worten und Taten

Wenn Purpose funktionieren soll, muss er kommuniziert werden. Doch wie genau entfaltet Sprache in der Führung Wirkung? Und wo sind Grenzen? Ein Blick auf die Motivating Language Theory (Sullivan, 1988), die Metaanalyse zu effektivem Führungsverhalten (DeRue et al., 2011) sowie die Forderung nach stärkerem Verhaltensbezug in der Führungsforschung (Banks et al., 2023b) macht deutlich: Purpose allein reicht nicht.

Entscheidend ist nicht nur, wie über etwas gesprochen wird. Zentral ist auch, ob das Gesagte im Verhalten sichtbar wird. Hier identifiziert die Motivating Language Theory drei zentrale Formen von Sprache, mit denen Führungskräfte wirken können:

Purpose fällt vor allem in die dritte Kategorie: Meaning-Making Language. Aber das allein reicht nicht aus. Wirkungsvolle Führung kombiniert Aufgabenorientierung, Beziehungsorientierung und Veränderungsorientierung. Nur Sinn stiften reicht nicht. Es braucht klare Aufgabenführung und zwischenmenschliche Kompetenz. Vor allem ist wirkungsvolle Führung verhaltensbasiert, konkret und sichtbar – im Gegensatz zu Interpretationen von Verhalten.

Der kritische Punkt ist also: Wenn Purpose kommuniziert wird, aber keine Verbindung zu Aufgaben, Beziehungen oder Entscheidungen sichtbar ist, verpufft die Wirkung oder kehrt sich sogar ins Gegenteil. Purpose darf kein Selbstzweck sein, sondern kann Orientierung stiften, emotionale Bindung fördern sowie Veränderungen erklären und ermöglichen. Das gelingt aber nur, wenn Sprache durch Verhalten gestützt wird. Sonst bleibt es Gelaber.

 

III. Wenn Purpose zum billigen Signal verkommt

In der Führung geht es nicht nur darum, was man tut oder sagt – sondern auch darum, wie es wahrgenommen wird. Die Signaling Theory hilft zu verstehen, wann Kommunikation glaubwürdig ist und wann nicht (Spence, 1973; Connelly et al., 2025). Die Grundidee: Führungskräfte senden ständig Signale, um Kompetenz, Integrität oder Veränderungsbereitschaft zu vermitteln. Doch nicht jedes Signal wirkt. Entscheidend ist die Qualität des Signals. Doch was macht ein Signal wirksam?

Diese Punkte erlauben uns, zwischen glaubwürdig und unglaubwürdig zu unterscheiden. Dazu drei Beispiele: Kurz nach dem russischen Einmarsch hätte sich Präsident Zelensky ausfliegen lassen können. Seine Antwort: I don’t need a ride, I need ammunition. Dieses Signal war so glaubwürdig, weil es mit einem enormen persönlichen Risiko verbunden war. In Afghanistan war es beim Sturm der Taliban auf Kabul genau umgekehrt. Als die Führung floh, brach der Widerstand zusammen. Oder: Als Nelson Mandela aus dem Gefängnis kam, hätte er zur Rache aufrufen können. Stattdessen setzte er auf Versöhnung. Der Verzicht auf Vergeltung war ein starkes Signal, weil er allen Grund zur Wut gehabt hätte. So mobilisierte er das Land.

Und Purpose? Purpose erfüllt leicht das erste Kriterium: Sichtbarkeit. Doch bei den anderen beiden Punkten wird es kritisch. Zu den Kosten: Worte sind billig. Purpose kann nahezu risikolos formuliert werden und lässt sich leicht in Leitbilder integrieren. Zur Konsistenz: Wenn kein Verhalten folgt, wird das Signal entwertet. Dann sprechen wir von einem „cheap signal“ – es klingt gut, trennt aber nicht die Spreu vom Weizen. Die Folge ist Signalerosion: Wenn Purpose zu oft ohne Wirkung bleibt, geht die Glaubwürdigkeit flöten, selbst wenn es ernst gemeint ist. Menschen werden skeptisch gegenüber jeder Purpose-Kommunikation, weil sie gelernt haben, dass sie oft folgenlos bleibt.

Die Signaling Theory erklärt also, dass Purpose nur dann glaubwürdig wirkt, wenn er mit Aufwand oder Konsequenzen verbunden ist. Ohne Verhalten oder Kosten wird Purpose zum billigen Signal. Das ist in der Breite passiert. Leider. In einer Zeit hoher Komplexität reicht Kommunikation nicht mehr – was zählt, ist konsequentes, "teures" Handeln.

 

Die Quintessenz aus drei Perspektiven

Mit diesen drei Perspektiven wird klar: Purpose kann Sinn und Orientierung stiften. Das klappt aber nur, wenn er glaubwürdig, sichtbar und verhaltensbasiert umgesetzt wird. Die Theorie liefert dafür viele Einsichten und hochkarätige Evidenz gibt es dazu auch. Eine groß angelegte Studie mit über 450.000 Mitarbeitenden zeigt: Purpose alleine bringt keinen Vorteil. Aber wenn Purpose mit klarer Führung kombiniert und das auch vom mittleren Management getragen wird, sind Unternehmen langfristig erfolgreicher. Das ist messbar bis an die Börse (Gartenberg et al., 2019). Was folgt daraus für die Praxis?

  1. Purpose in Verhalten übersetzen: Purpose entfaltet seine Wirkung nur, wenn er im Alltag erlebbar wird. Führung bedeutet dann, Fairness, Integrität und Wertorientierung vorzuleben und nicht nur einzufordern. Auf diese Weise wird Purpose operationalisierbar und überprüfbar. Konkret gelingt das, indem Verhaltensanker festgelegt werden, etwa: „Wenn wir Nachhaltigkeit ernst meinen, treffen wir keine Investitionsentscheidung ohne ESG-Abgleich.“ ESG steht für Environmental, Social and Corporate Governance.
  2. Sinnstiftung mit Klarheit und Beziehung kombinieren: Nur Sinn zu kommunizieren, reicht nicht aus. Führung sollte drei Dimensionen abdecken: Aufgabe, Beziehung und Veränderung. Purpose ist am engsten mit Veränderung verknüpft, doch ohne Bezug zu Aufgaben und Beziehungen bleibt er abstrakt und wirkungslos. Eingebettet in alle Dimensionen wird Purpose zur Handlungsgrundlage statt zur bloßen Aufstelltapete. Ein konkreter Impuls: Binde Purpose operativ mit ein („Du hast Entscheidungsfreiheit beim Kundenkontakt, aber wir erwarten Rückkopplung im Team“).
  3. Purpose als glaubwürdiges Signal gestalten: Schließlich braucht Purpose Glaubwürdigkeit als Signal. Er wirkt nicht, wenn er nur angekündigt wird – er muss erkämpft oder erkauft sein. Je höher der Preis, desto stärker und glaubwürdiger das Signal. Sichtbar wird das etwa, wenn ein Unternehmen bewusst auf Geschäft verzichtet, zum Beispiel durch die Kündigung von Lieferanten, die gegen eure Werte verstoßen.

Vermutlich ist der Begriff in vielen Organisation verbrannt, doch Purpose ist nach wie vor ein wichtiger Kulturanker. Er muss lediglich komplett anders gedacht werden, als es die Gurus versprochen haben. Und vermutlich braucht es für Purpose auch einen anderen Begriff. Purpose ist nämlich kein Marketing-Claim, sondern ein Verhaltensversprechen. Wenn Unternehmen bereit sind, Purpose gerade dort mit Inhalt zu füllen, wo es unbequem wird, entfalten sich Effekte.

 

Purpose konkret erlebbar machen?

Nach all den theoretischen Modellen und Perspektiven stellt sich die entscheidende Frage: Wie lässt sich Purpose nun ganz konkret im Führungsalltag erlebbar machen? Purpose ist kein Satz auf der Homepage, sondern Verhalten im Alltag. Das trennt Leerformeln von echter Wirkung. Purpose wird nicht verkündet, er wird signalisiert, also durch Verhalten mit Inhalt gefüllt. Purpose ist ein Gefühl von Richtung und Intentionalität. Das, was persönlich Sinn stiftet und wichtig ist, findet Platz in der Arbeit. Was Menschen wichtig ist, sind ihre Werte. Doch wie geht das? Wie signalisiert man Werte?

Mit genau dieser Frage hat sich kürzlich ein Forscherteam beschäftigt. Der daraus entstandene Artikel ist zwar kein Lesevergnügen, aber absolut brillant (Banks et al., 2023a). Statt Meinungen zu sammeln, wurden in drei Schritten die zentralen Bausteine destilliert. Mehr als 10.000 CEO-Briefe wurden gesammelt und digitalisiert. Die Briefe wurden KI-basiert auf wiederkehrende, generalisierbare Signale verdichtet. In Experimenten wurde daraufhin geprüft, ob diese Signale tatsächlich Wirkung entfalten. Das Ergebnis sind acht Signale, die Purpose im Alltag verankern und sichtbar machen.

Zusammengefasst bleibt Purpose Dekoration, solange er nur auf Bannern steht. Er wird erlebbar, wenn man ihn in sichtbare Signale übersetzt. Das prägt Kultur.

 

Fazit: Der (Un)Sinn von Purpose

Zeit für den Schlussakkord. Das Problem: Purpose ist zum Buzzword verkommen. Führungsgurus feiern ihn, Unternehmen plakatieren ihn, aber oft fehlt genau das, was Sinn eigentlich ausmacht: Orientierung, Klarheit, Evidenz. Bereits 2022 brachte es die Transformationsberaterin Stefanie Krügl auf den Punkt, indem sie lustigerweise Simon Sinek persiflierte:

Das Fehlen dieser drei Basics ist der eigentliche Unsinn am Purpose-Hype. Purpose kann mehr sein als ein Buzzword, wenn er klar definiert, sinnvoll gestaltet und evidenzbasiert umgesetzt wird. Dann schafft er Orientierung in komplexen Umfeldern. Ohne das ist Purpose nicht Purpose, sondern nur das nächste Modewort. Brauchen wir Purpose? Ja, aber nur in echt!

 

Literatur

Banks, G. C., Ross, R., Toth, A. A., Tonidandel, S., Goloujeh, A. M., Dou, W., & Wesslen, R. (2023a). The triangulation of ethical leader signals using qualitative, experimental, and data science methods. The Leadership Quarterly, 34(3), 101658. https://doi.org/10.1016/j.leaqua.2022.101658

Banks, G. C., Woznyj, H. M., & Mansfield, C. A. (2023b). Where is “behavior” in organizational behavior? A call for a revolution in leadership research and beyond. The Leadership Quarterly, 34(6), 101581. https://doi.org/10.1016/j.leaqua.2021.101581

Connelly, B. L., Certo, S. T., Reutzel, C. R., DesJardine, M. R., & Zhou, Y. S. (2025). Signaling theory: State of the theory and its future. Journal of Management, 51(1), 24–61. https://doi.org/10.1177/01492063241268459

DeRue, D. S., Nahrgang, J. D., Wellman, N. E., & Humphrey, S. E. (2011). Trait and behavioral theories of leadership: An integration and meta‐analytic test of their relative validity. Personnel Psychology, 64(1), 7–52. https://doi.org/10.1111/j.1744-6570.2010.01201.x

Fischer, T., & Alvesson, M. (2025). A Theory of Leadership Meta‐Talk and the Talking‐Doing Gap. Journal of Management Studies. https://doi.org/10.1111/joms.13249

Gartenberg, C. M., Prat, A., & Serafeim, G. (2019). Corporate purpose and financial performance. Organization Science, 30(1), 1–18. http://doi.org/10.2139/ssrn.2840005

Krügl, S. (2022). Der (Un) Sinn von Purpose: Theoriebasierte Ansätze zur Gestaltung von sinnhaftem Handeln in Unternehmen. Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO), 53(2), 251–259. https://doi.org/10.1007/s11612-022-00628-7

Spence, M. (1973). Job market signaling. The Quarterly Journal of Economics, 87(3), 355–374. https://doi.org/10.2307/1882010

Sullivan, J. J. (1988). Three roles of language in motivation theory. Academy of Management Review, 13(1), 104–115. https://doi.org/10.2307/258358

Entschleunigung – Warum gute Führung manchmal zögert

Die Welt dreht sich immer schneller. Überall poppen neue Technologien auf. Alle reden von mutigen Entscheidungen. Von Tempo. Von Klarheit. Von „einfach machen“. Wir sind gehetzt wie nie.

Machen ist halt wie Wollen, nur krasser. Oder? Aber gibt’s auch den umgekehrten Fall?

 


These

In einer komplexen Welt ist Entschleunigung kein Mangel an Führung, sondern ein Ausdruck strategischer Reife. Dazu ne kleine Story aus der Historienkiste über den Zauderer, der Rom rettete.

📜 Sommer 218 v. Chr.

Hannibal hatte mit Elefanten die Alpen bezwungen und zwei Legionen vernichtet. Panik brach aus. „Schlacht sofort!“ brüllte der römische Marktplatz. Der Senat rief einen Cäsar aus: Quintus Fabius Maximus Verrucosus. Die Stadt erwartete ein heroisches Gefecht – und erlebte stattdessen … nichts.

Fabius wartete. Er mied offene Kämpfe, folgte Hannibal und griff nur Versorgungszüge an – selbst dann noch, als Hannibal Felder abbrennen, Brunnen vergiften und Infrastruktur vernichten ließ. Senatoren spotteten, Offiziere murrten, das Volk verfluchte ihn. Doch Fabius blieb stoisch. Als Rom seine Geduld verlor und ohne ihn bei Cannae die „große Entscheidungsschlacht“ suchte, endete dies in der wohl vernichtendsten Niederlage der römischen Militärgeschichte. Gleichzeitig wurde klar, was Fabius’ scheinbare Untätigkeit erreichte: Er hielt Rom am Leben bis die Republik wieder handlungsfähig war und gab Scipio Zeit, eine Armee auszubilden, die den Krieg letztlich gewann. Heute wissen wir: Es war das „Zaudern“ von Fabius, das Rom rettete. Entschleunigung.

 


Warum Entschleunigung?

Entschleunigung ist kein Zufallsprodukt oder Schwäche. Es ist bewusstes Abwarten, gezieltes Ambiguität-Zulassen, und manchmal: kalkuliertes Schweigen.

💭 Die Idee: In hochdynamischen, mehrdeutigen oder politisch aufgeladenen Situationen ist klare Positionierung nicht immer hilfreich – sondern kann Optionen zerstören, Konflikte eskalieren oder Entwicklungen vorschnell einfrieren.

 


Ist da auch wissenschaftlich Fleisch am Knochen?

  1. Nicht-Entscheidung als Entscheidung: Entscheidungsprozesse in Organisationen sind lose gekoppelte, chaotische Systeme. Eine Entscheidung nicht zu treffen, kann bedeuten, alle Optionen offen zu halten – was in Zeiten strategischer Unsicherheit Gold wert ist.🏅
  2. Strategisches Schweigen: Schweigen in Organisationen ist nicht nur Angst – es kann strategisch sein. Gerade Führungskräfte setzen es ein, um Spannungen nicht zu früh zu adressieren oder die Energie im System zu halten.⚡
  3. Paradoxe Führung: Erfolgreiche Führungskräfte können widersprüchliche Anforderungen gleichzeitig halten – z. B. Innovation & Effizienz, Kontrolle & Vertrauen. Dazu gehört oft auch: ambivalente Aussagen stehenlassen.⚖️

 


Warum das funktioniert

⚠️ Aber Achtung! Entschleunigung funktioniert nur, wenn drei Bedingungen erfüllt sind:

  1. Unentschieden ≠ unklar Du weißt genau, was du tust – und warum du nicht entscheidest.
  2. Unentschieden ≠ egal Du beobachtest, analysierst, intervenierst subtil – aber steuernd.
  3. Unentschieden ≠ unbeteiligt Du bleibst präsent, kommunizierst bewusst offen – und gibst Signale des Vertrauens.

 


Was du konkret tun kannst

  1. Zielgerichtetes Nicht-Handeln kultivieren: Keine sofortigen Entscheidungen in Meetings, sondern Denkfenster einbauen („Lasst uns darüber einmal schlafen. Wir entscheiden das morgen“). Kommunikation von Nicht-Entscheidung als bewusster Akt („Wir lassen es reifen“).
  2. Ambiguität explizit machen: Nicht vorgaukeln, dass alles klar sei. Stattdessen Unsicherheit als Führungsressource rahmen.
  3. Entscheidungsreife erkennen statt Entscheidungstempo messen: Nicht „Wie schnell können wir entscheiden?“, sondern „Wie reif ist das Thema für eine Entscheidung?“.

 


Fazit

Entschleunigung ist kein Zeichen von Schwäche. Sie ist ein Zeichen von Reife, Systemkompetenz und Konflikttoleranz. Es ist die Fähigkeit, Entscheidungen zu verzögern, ohne die Verantwortung abzugeben.⏳

Gerade in komplexen Umfeldern ist die Fähigkeit, nicht sofort alles lösen zu wollen, ein Zeichen von starker Führung. Wer Spannung aushält, hält Potenziale offen. Manchmal ist Führung halt auch mal: nichts tun. Noch nicht. Nicht aus Angst. Sondern aus Klugheit.

Einig? Dann gerne kommentieren, teilen oder folgen, wenn ihr was damit anfangen könnt. Herzlich willkommen!🙌

 


Literatur

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Warum mentale Erholung wichtig ist und trotzdem die Karriere ruiniert

Mental Health ist zu einem Schlachtruf geworden. Doch wer wird befördert? Die, die niemals abschalten. Die ständig brennen. Die um 23:04 Uhr noch auf Teams tippen.

Willkommen im Entkoppelungsparadox.

Ein klassischer Fall von: gut gemeint, schlecht gemacht.

 

Was ist mentale Entkoppelung?

Entkoppelung meint die Fähigkeit, nach der Arbeit wirklich abzuschalten. Nicht nur den Laptop zuzuklappen, sondern auch mental loszulassen. Das ist kein „Wellness-Gesäusel“, sondern harte Forschung. Meta-Analysen und Längsschnittstudien zeigen: Mentales Abschalten reduziert Burnout, Depression, Schlafprobleme. Es erhöht Wohlbefinden, Kreativität und langfristige Produktivität.

🚨 Und jetzt das Paradox: Wer abschaltet, verliert.

Denn was inhaltlich klug ist, wird sozial sanktioniert. Die gleiche Forschung, die Entkoppelung als gesund beschreibt, zeigt auch: Mitarbeitende, die emotional nicht dauerverfügbar sind, werden als weniger engagiert wahrgenommen. Und sie haben schlechtere Chancen auf Gehaltserhöhungen und Beförderungen. Warum?

⚠️ Weil wir oft nach Sichtbarkeit bewerten und nicht nach Substanz.
⚠️ Weil Dauerfeuer als „Leidenschaft“ gilt, auch wenn es in Wahrheit Überforderung ist.
⚠️ Weil wir Engagement mit Überidentifikation verwechseln.

Das Problem ist nicht Entkoppelung. Das Problem ist unsere kognitive Verzerrung: Wir belohnen Erschöpfung. Nicht Effektivität.

Das ist nicht nur unfair. Es ist auch ökonomisch unsinnig. Denn Entkoppelung ist kein Rückzug, sondern eine Regulationsstrategie für Leistungsfähigkeit. Ein mentaler Muskel, der Energie spart für den Moment, wenn es drauf ankommt.

 

Was Führung tun kann – und tun muss

1️⃣ Bewusst Vorbild sein: Wer selbst nie abschaltet, erzieht Nachahmer. Während ich das schreibe, faulen mir übrigens die Finger weg aufgrund himmelschreiender Bigotterie.

2️⃣ Leistung > Lautstärke: Bewertet nach Output, nicht nach Online-Status. Wer sichtbar leidet, arbeitet nicht automatisch besser.

3️⃣ Abschalten als Stärke framen: Sprecht offen über mentale Erholung. Belohnt sie.

4️⃣ Systeme umbauen: Baut Feedbackstrukturen auf, die Substanz sichtbar machen.

Fangt klein an. Macht Recovery Check-ins zum Teil von Team-Retros. Belohnt die, die Verantwortung für ihre Energie übernehmen. Denn Führung heißt nicht, mehr aus Menschen rauszuholen. Sondern: das Richtige nachhaltig möglich zu machen. Ist alles kein Sprint, sondern Marathon und so. Kennste.

 

Fazit: Gesund sein ist keine Schwäche.

Wer abschaltet, zeigt Verantwortung.
Wer Energie managt, denkt langfristig.
Und wer das erkennt, ist bereit, wirklich moderne Führung zu leben.

👇 Was denkt ihr? Lasst die Kommentare frei fließen. Alles nach 22 Uhr werde ich aber direkt löschen!😉

 

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Führung? Nein danke! Warum schreckt Leadership immer mehr Menschen ab?

👉 Warum möchten immer weniger Menschen Führungskraft werden?
👉 Warum gilt das besonders für Frauen?
👉 Und was können wir dagegen tun?

Komisches Phänomen oder? Überall labern die Leute über Leadership, aber niemand hat mehr so richtig Lust darauf. 

"Willste Vorstand werden?" "Gott bewahre, auf keinen Fall. Ich bin doch nicht irre!"

Wie kommt das? Drei Gründe sind besonders wichtig. Warum also gibt's immer weniger Bock auf Führung?

 

1. Weil die Leute Angst haben.

Wer Führung übernimmt, übernimmt Verantwortung. Für andere. Für sich. Für Dinge, die man nicht ganz kontrollieren kann. Das erzeugt Ängste und Sorgen
a) vor dem Scheitern.
b) um die eigene Work-Life-Balance.

Bei Frauen ist das übrigens doppelt so häufig und doppelt so stark ausgeprägt.

 

2. Wir stellen die falschen Fragen.

Wer fragt „Warum wollen so wenige führen?“ gelangt zu Employer Branding, Traineeprogrammen und Gehaltsmodellen. Das sind in diesem Fall aber nicht die richtigen Lösungen.

Fragt stattdessen: „Wie haben wir Führung eigentlich so gestaltet, dass niemand mehr Bock darauf hat?“

Führung wird häufig als Einzelkämpferrolle inszeniert. Als Stress-Upgrade mit Bonus. Als 24/7-Verfügbarkeit. Kein Wunder, dass der „Leadership Track“ für viele wie eine üble Karrierefalle aussieht. Nicht wie eine Chance. Und wenn die Care-Arbeit in der Gesellschaft weiterhin so schief verteilt bleibt, gilt das ebenso weiterhin besonders für Frauen.

 

3. Und dann ist da noch die brutale Kurzfristdenke.

Wenn sich alles um Quartalszahlen dreht, ist kein Platz mehr für langfristiges Denken, nachhaltige Entwicklung oder gute Führung. Führung wird zum Sprint, obwohl es ein Marathon ist. Ergebnis: Weniger Entwicklung, weniger Vertrauen, weniger Mut.

Besonders für Frauen wird das toxisch, weil sie stärker auf langfristige Vereinbarkeit achten (müssen) und dafür keine Strukturen finden.

 

Was also tun?

💡Führung wird dann wieder attraktiv, wenn sie nicht nur fordert, sondern auch fördert. Wenn sie nicht zur Gefahr, sondern zum Möglichkeitsraum wird. Wenn sie nicht als Status, sondern als Beitrag verstanden wird.

👉 Führung ist kein Titel. Führung ist ein Angebot. Macht es annehmbar.

 

Literatur

Trump vs. Musk: Narzissmus und die Unendlichkeit der Egos

Trump vs. Musk – Wenn Narzissmus auf Narzissmus trifft

Zwei Alphatiere. Zwei Egos im XXL-Format. Zwei Männer, die sich selbst feiern – aber gegenseitig halt nur bei Sonnenschein.

👉 Warum die Zusammenarbeit zwischen Donald Trump und Elon Musk zum Scheitern verurteilt war?
👉 Wie man mit narzisstischen Menschen umgeht und was wir dabei von Friedrich Merz lernen können?
👉 Welche Optionen Unternehmen haben?

Im Interview mit dem Handelsblatt geht es genau darum. Wir sprechen über toxische Dynamiken in der Führung, die Entstehung narzisstischer Persönlichkeitsstrukturen und warum ein „Ich zuerst!“-Mindset selten gut für Zusammenarbeit ist. 🤝❌

 

Hier geht’s zum Interview:

🎙️Interview im Handelsblatt: Trump vs. Musk – Macht Narzissmus Zusammenarbeit unmöglich?

 

Ergänzung: Ist autoritäre Führung auf einmal wieder hip?

Letzte Woche ging das Handelsblatt dieser Frage nach und interviewte unter anderem Heike Bruch, Dr. Nicolas von Rosty und mich. Nun flattert mir heute, gnah, eine wahnsinnig tolle Studie zu genau diesem Thema auf den Tisch.

Spoiler vorweg: Je bedrohlicher eine Konfliktsituation, desto größer unsere Sehnsucht nach einem autoritären Leader. 25 Länder, über 5000 Befragte, ein mega cooles (experimentelles) Design. Ganz toll!

👉Die zentrale Botschaft? Intergruppenkonflikte aktivieren archaische Instinkte in uns. Wir bevorzugen plötzlich „starke Persönlichkeiten“, die dominant und kompromisslos auftreten. Vereinfacht gesagt: Krisen wecken den inneren Höhlenmenschen, der sich nach klarer Führung sehnt.

👉 Klingt vertraut? Ist es leider auch. Beispiele gibt’s genug: Putin, Orban, Erdoğan. Autoritäre Typen boomen nicht trotz, sondern wegen Krisen. Warum marschiert die Nationalgarde zu Tausenden in LA auf? Genau.

👉 Was lernen wir daraus? Führungskräfte, die lieber demokratisch und partizipativ führen möchten, brauchen in Krisenzeiten mehr denn je Überzeugungskraft und gute Argumente. Sonst übernehmen schnell wieder die Alpha-Tiere.

Neugierig geworden? Hier die Studie: "Cross-cultural evidence that intergroup conflict heightens preferences for dominant leaders: A 25-country study"

 

Literatur:

 

Bildquelle: https://unsplash.com/de/fotos/blau-weisse-zeichentrickfigur-XClNDg9Z9Ag

Segel setzen reicht nicht – mit klugem Followership auf Kurs bleiben

Wir leben in einer Welt, in der alle führen wollen. CEO, Projektleitung, Scrum Master, LinkedIn-Gurus mit „Vision“. Und inmitten dieser Führungsparty ertönt neuerdings ein mahnender Ruf: „Schaut nicht nur auf die Leader – was ist mit den Followern?“ Aha.🧐

Die neue Mode: Followership ist der geheime Star hinter erfolgreicher Führung. „Aktives Mitdenken“, „Verantwortungsübernahme“, „zielgerichtete Einflussnahme“ – so definieren es Uhl-Bien und Kolleg:innen (2014). Klingt sinnvoll. Klingt engagiert. Klingt… verdächtig nach Führung.

Also vergleichen wir doch mal:

Tja. Da passt kaum ein Blatt dazwischen. 📎 Gutes Followership ist… Führung. Autsch!

 

Wenn alle führen, führt niemand 💥

Doch wenn Followership dasselbe meint wie Leadership – warum sprechen wir dann überhaupt noch über Followership?

Was ursprünglich als Aufwertung der Mitarbeitenden gedacht war, entpuppt sich als semantischer Etikettenschwindel. Die Grenze zwischen Führen und Geführtwerden verschwimmt. Am Ende sind alle irgendwie Leader. Bullshit-Bingo lässt grüßen. 🙃

Aber es kommt noch besser.

 

Die drei Denkfehler der Followership-Forschung 🧠

In einer exzellenten Kritik identifizieren Nicolas Bastardoz und Sofie Adriaensen (2023) drei zentrale Denkfehler:

  1. Follower = direkte Untergebene Studien setzen Follower einfach mit „nicht-Führungskraft“ gleich. Das ist bequem – aber komplett daneben. Einfluss? Zielbindung? Fehlanzeige.
  2. Verhalten bleibt Blackbox Statt echtes Verhalten zu beobachten, wird meist nur gefragt: „Wie schätzt du dich selbst ein?“ Na super.
  3. Downward Followership wird ignoriert Was passiert, wenn Führungskräfte ihren Mitarbeitenden folgen – etwa bei technischem Know-how? Genau: nix. Wird kaum erforscht.

Kurzum: Wissenschaftlich fragwürdig, begrifflich verschwommen, praktisch redundant.

 

Warum folgen wir eigentlich? 🔍 Ein Blick in die Evolution

Aber trotz allem: Die Frage ist faszinierend. Warum folgen sie überhaupt?Warum geben Menschen freiwillig Autonomie auf? Was soll das?

Die Antwort liefert – wie so oft – die Evolution. 🌱 Nicolas Bastardoz (ja, der schon wieder, folgt ihm, er ist super!) & Marc van Vugt analysieren Followership als adaptive Strategie, um Koordination in Gruppen zu ermöglichen.

Menschen folgen, wenn es sich lohnt. Rational, freiwillig, kontextabhängig.

 

Vier gute Gründe für Followership

Mit anderen Worten: Followership ist situativ – nicht moralisch. Es ist kein Tugend-Katalog. Es ist Strategie.

 

Was also tun? Drei Wege in die Praxis 🚀

Followership ist kein Etikett, das man verteilt – sondern ein Verhalten, das entstehen kann, wenn die Bedingungen stimmen.

Hier drei Wege, wie du Followership intelligent gestalten kannst – als Führungskraft, Coach oder Organisationsentwickler:

1. Downward Followership lernen 💡

Lass los – und lerne zu folgen, wenn andere mehr wissen.

2. Soziale Distanz abbauen 🤝

Nähe schlägt Status. Immer.

3. Psychologische Sicherheit schaffen 🔐

Nur wer sich sicher fühlt, folgt freiwillig.

 

Fazit 🎯

Followership ist kein moralischer Orden. Es ist kein netter Soft Skill für den Flurfunk. Es ist ein adaptiver Mechanismus, der in guten Teams bewusst erlaubt und ermöglicht wird.

Gutes Followership ist eben nicht Leadership. Aber gute Führung schafft Räume, in denen man klug folgen kann.

Wenn du es richtig machst, bist du nicht nur ein Leader. Sondern auch mal ein richtig guter Follower. Und das ist… Leadership at its best.

Könnt ihr damit was anfangen? Dann lasst hören, teilt den Artikel gerne und klickt auf Folgen.

 

Literatur

Bildquelle: https://unsplash.com/de/fotos/weisse-papierboote-auf-weisser-oberflache-kI1iR7l55FM

„Meine Tür steht immer offen“ – Warum dieser Satz oft mehr schadet als nützt

„Meine Tür steht immer offen“ 🚪

Das klingt nach Offenheit und Zugänglichkeit. Doch in der Praxis kann der Satz für das Gegenteil stehen und deshalb sollte man ebenso selbstkritisch wie vorsichtig sein. Hier drei typische Gründe:

1. Tarnung autoritärer Führung

Nicht alle Führungskräfte haben die Chuzpe eines Felix Magath. Der erklärte seiner verdutzten Mannschaft in der ersten Teambesprechung beim VfB Stuttgart, dass nur die Führungsspieler Krasimir Balakov und Zvonimir Soldo mit ihm sprechen dürfen. Geil oder? Meistens läuft das aber subtiler. Der Satz „Meine Tür steht immer offen“ dient dann dazu, autoritäre Führung zu verschleiern. Die angeblich offene Tür ist nämlich „eigentlich“ geschlossen. Eine Hürde. Nix Mitsprache. Schnauze halten und ran an die Schippe!

2. Laissez-Faire-Führung

Manche Führungskräfte nutzen den Satz, um sich aus der Verantwortung zu ziehen. Dahinter steht häufig eine gewisse Überforderung. Keine Zeit, zu viel zu tun, zu viele Bälle in der Luft. Anstatt sich also proaktiv zu kümmern und auf die Leute zuzugehen, überlassen diese Führungskräfte den Mitarbeitenden die Initiative. Dieses Problem heißt „Laissez-Faire Führung“ und ist durch Passivität und Entscheidungsvermeidung gekennzeichnet. Kurzfristig mag das verführerisch sei („Lasst mich doch alle in Ruhe mit dem ganzen Gesabbel, hier brennt die Hütte!“), langfristig isses aber eine sehr schlechte Idee. Gebt dem Impuls bitte nicht nach.

3.  Kaschieren von Unsicherheit

„Meine Tür ist immer offen“ kann auch Unsicherheit verbergen. Gerade in schwierigen Zeiten ist Transparenz jedoch wichtig. Zieht Euch also nicht ins Schneckenhaus zurück. Teilt Eure Unsicherheit, wenn auch dosiert. Das ist eine Balance. Ihr werdet u.a. für einen breiten Rücken bezahlt, aber ne komplette Schweigezone ist auch doof. Führungskräfte, die sich nicht trauen, aktiv auf ihre Teams zuzugehen, verstecken sich gerne hinter der vermeintlich offenen Tür. Das wiederum kann schnell in Unsicherheit, Desorientierung und Unzufriedenheit des Teams münden.

🔄 Fazit

Echte Offenheit braucht mehr als eine offene Tür. Die allein schafft keine offene Kommunikation. Echte Führung erfordert aktives Zuhören, proaktives Handeln und den Mut, auf Menschen zuzugehen. So entsteht ein Klima des Vertrauens, des Miteinanders und der Zusammenarbeit.

Parallel ist der Satz „Meine Tür steht immer offen“ natürlich keineswegs verwerflich. Aber horcht vor dem Aussprechen noch mal in Euch hinein.

Geht es Euch wirklich um Transparenz, Kommunikation und Mitsprache? Oder wollt ihr womöglich doch lieber Zeit sparen, seid gerade ein bisschen unsicher oder habt aktuell keinen Bock auf Widerspruch? Dann gäbs bessere Alternativen.

👉 Denn eines ist klar: die Leute sind nicht doof und bekommen schnell mit, wie das mit der offenen Tür in Wirklichkeit gemeint war.

Moral ist wie ein Aktienkurs – CEOs verkaufen, wenn der Preis stimmt

Politischer CEO-Aktionismus – Echte Werte oder PR-Show?

"Moral ist wie ein Aktienkurs – CEOs verkaufen, wenn der Preis stimmt." Klingt zynisch? Mag sein. Aber wie oft haben wir es schon gesehen? Gestern Diversity, heute Meinungsfreiheit, morgen vielleicht wieder was anderes – CEO-Statements zu gesellschaftlichen Themen drehen sich gerne im Wind.

 

Was ist das? Überzeugung? Taktieren? Was sagt die Forschung?

Naja. CEOs befinden sich in einer Zwickmühle widerstrebender Interessen und sie lassen sich treiben. Ihre Statements basieren empirisch nachweisbar nicht auf festen moralischen Überzeugungen, sondern auf öffentlichem Druck. Kurzfristig mag das unabdingbar wirken – langfristig untergräbt es Vertrauen. Hier kommt die Signaltheorie ins Spiel.

Superkurz erklärt: Starke Signale sind teuer – Opportunisten können sie sich nicht leisten, daher sind sie glaubwürdig. Schwache Signale sind billig – kann man senden, ohne es ernst zu meinen. Was passiert mit Diversityprogrammen bei uns, wenn der Druck zunimmt? Noch sind die Signale billig und alle an Bord.

 

Weitere Beispiele

➡️ Enge Zusammenarbeit, dann abrupte Distanzierung – Erst zum eigenen Vorteil mit politischen Akteuren kooperieren, doch bei öffentlichem Druck schnell aufhören.

➡️ Doppelmoral international – In der westlichen Welt für Meinungsfreiheit eintreten, aber in regulierten Märkten von Diktaturen stillhalten.

➡️ Soziale Verantwortung auf Hochglanz – Große Worte zu Nachhaltigkeit, doch in der Lieferkette bleibt alles beim Alten.

Parallel sollten wir nicht bigott verurteilen. Es muss ein Rahmen geschaffen werden, der wertebasiertes Handeln belohnt. In einem Wettbewerbsumfeld mit krass unterschiedlichen Spielregeln ist das schwierig. Siehe aktuell z.B. die desaströsen Standards von Temu & co. Ehrbare Kaufleute haben massive Nachteile.

 

Was bedeutet das für uns?

✅ Ebene der Gesellschaft: Bald sind Wahlen. Wir brauchen einen politischen Rahmen, der das ökonomische Spielfeld fair gestaltet. Deutschland ist alleine zu klein. Bitte wählt für Europa.

✅ Unternehmensebene: Frühzeitig Position beziehen, Werte im Geschäftsmodell verankern, klare Begründungen für Entscheidungen liefern.

✅ Persönliche Ebene: Popo hochkriegen. Marc Zuckerberg als Wendehals beschimpfen und selbst WhatsApp statt Signal nutzen? Wann habt Ihr zuletzt bei Amazon statt bei Otto bestellt? Noch auf Twitter/X? Kennt & nutzt Ihr Alternativen? Sowas halt. Klein anfangen.

 

Fazit

Wer U-Turns machen möchte, sollte Auto fahren. Führung braucht glaubhafte Orientierung. Oder wie es Maggie Thatcher ausdrückte: "You turn if you want to. The lady's not for turning."

💬 Eure Meinung? Wie können wir gesellschaftliches Engagement und unternehmerische Glaubwürdigkeit balancieren? Diskutiert gerne in den Kommentaren. Dort gibts wie immer auch die Literatur! Ansonsten: Falls Euch die Inhalte gefallen, teilt gerne den Beitrag!

 

Literatur

Bildquelle: https://unsplash.com/de/fotos/schwarzes-android-smartphone-auf-braunem-holztisch-VP4WmibxvcY