Entschleunigung – Warum gute Führung manchmal zögert

Die Welt dreht sich immer schneller. Überall poppen neue Technologien auf. Alle reden von mutigen Entscheidungen. Von Tempo. Von Klarheit. Von „einfach machen“. Wir sind gehetzt wie nie.

Machen ist halt wie Wollen, nur krasser. Oder? Aber gibt’s auch den umgekehrten Fall?

 


These

In einer komplexen Welt ist Entschleunigung kein Mangel an Führung, sondern ein Ausdruck strategischer Reife. Dazu ne kleine Story aus der Historienkiste über den Zauderer, der Rom rettete.

📜 Sommer 218 v. Chr.

Hannibal hatte mit Elefanten die Alpen bezwungen und zwei Legionen vernichtet. Panik brach aus. „Schlacht sofort!“ brüllte der römische Marktplatz. Der Senat rief einen Cäsar aus: Quintus Fabius Maximus Verrucosus. Die Stadt erwartete ein heroisches Gefecht – und erlebte stattdessen … nichts.

Fabius wartete. Er mied offene Kämpfe, folgte Hannibal und griff nur Versorgungszüge an – selbst dann noch, als Hannibal Felder abbrennen, Brunnen vergiften und Infrastruktur vernichten ließ. Senatoren spotteten, Offiziere murrten, das Volk verfluchte ihn. Doch Fabius blieb stoisch. Als Rom seine Geduld verlor und ohne ihn bei Cannae die „große Entscheidungsschlacht“ suchte, endete dies in der wohl vernichtendsten Niederlage der römischen Militärgeschichte. Gleichzeitig wurde klar, was Fabius’ scheinbare Untätigkeit erreichte: Er hielt Rom am Leben bis die Republik wieder handlungsfähig war und gab Scipio Zeit, eine Armee auszubilden, die den Krieg letztlich gewann. Heute wissen wir: Es war das „Zaudern“ von Fabius, das Rom rettete. Entschleunigung.

 


Warum Entschleunigung?

Entschleunigung ist kein Zufallsprodukt oder Schwäche. Es ist bewusstes Abwarten, gezieltes Ambiguität-Zulassen, und manchmal: kalkuliertes Schweigen.

💭 Die Idee: In hochdynamischen, mehrdeutigen oder politisch aufgeladenen Situationen ist klare Positionierung nicht immer hilfreich – sondern kann Optionen zerstören, Konflikte eskalieren oder Entwicklungen vorschnell einfrieren.

 


Ist da auch wissenschaftlich Fleisch am Knochen?

  1. Nicht-Entscheidung als Entscheidung: Entscheidungsprozesse in Organisationen sind lose gekoppelte, chaotische Systeme. Eine Entscheidung nicht zu treffen, kann bedeuten, alle Optionen offen zu halten – was in Zeiten strategischer Unsicherheit Gold wert ist.🏅
  2. Strategisches Schweigen: Schweigen in Organisationen ist nicht nur Angst – es kann strategisch sein. Gerade Führungskräfte setzen es ein, um Spannungen nicht zu früh zu adressieren oder die Energie im System zu halten.⚡
  3. Paradoxe Führung: Erfolgreiche Führungskräfte können widersprüchliche Anforderungen gleichzeitig halten – z. B. Innovation & Effizienz, Kontrolle & Vertrauen. Dazu gehört oft auch: ambivalente Aussagen stehenlassen.⚖️

 


Warum das funktioniert

⚠️ Aber Achtung! Entschleunigung funktioniert nur, wenn drei Bedingungen erfüllt sind:

  1. Unentschieden ≠ unklar Du weißt genau, was du tust – und warum du nicht entscheidest.
  2. Unentschieden ≠ egal Du beobachtest, analysierst, intervenierst subtil – aber steuernd.
  3. Unentschieden ≠ unbeteiligt Du bleibst präsent, kommunizierst bewusst offen – und gibst Signale des Vertrauens.

 


Was du konkret tun kannst

  1. Zielgerichtetes Nicht-Handeln kultivieren: Keine sofortigen Entscheidungen in Meetings, sondern Denkfenster einbauen („Lasst uns darüber einmal schlafen. Wir entscheiden das morgen“). Kommunikation von Nicht-Entscheidung als bewusster Akt („Wir lassen es reifen“).
  2. Ambiguität explizit machen: Nicht vorgaukeln, dass alles klar sei. Stattdessen Unsicherheit als Führungsressource rahmen.
  3. Entscheidungsreife erkennen statt Entscheidungstempo messen: Nicht „Wie schnell können wir entscheiden?“, sondern „Wie reif ist das Thema für eine Entscheidung?“.

 


Fazit

Entschleunigung ist kein Zeichen von Schwäche. Sie ist ein Zeichen von Reife, Systemkompetenz und Konflikttoleranz. Es ist die Fähigkeit, Entscheidungen zu verzögern, ohne die Verantwortung abzugeben.⏳

Gerade in komplexen Umfeldern ist die Fähigkeit, nicht sofort alles lösen zu wollen, ein Zeichen von starker Führung. Wer Spannung aushält, hält Potenziale offen. Manchmal ist Führung halt auch mal: nichts tun. Noch nicht. Nicht aus Angst. Sondern aus Klugheit.

Einig? Dann gerne kommentieren, teilen oder folgen, wenn ihr was damit anfangen könnt. Herzlich willkommen!🙌

 


Literatur

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Führung? Nein danke! Warum schreckt Leadership immer mehr Menschen ab?

👉 Warum möchten immer weniger Menschen Führungskraft werden?
👉 Warum gilt das besonders für Frauen?
👉 Und was können wir dagegen tun?

Komisches Phänomen oder? Überall labern die Leute über Leadership, aber niemand hat mehr so richtig Lust darauf. 

"Willste Vorstand werden?" "Gott bewahre, auf keinen Fall. Ich bin doch nicht irre!"

Wie kommt das? Drei Gründe sind besonders wichtig. Warum also gibt's immer weniger Bock auf Führung?

 

1. Weil die Leute Angst haben.

Wer Führung übernimmt, übernimmt Verantwortung. Für andere. Für sich. Für Dinge, die man nicht ganz kontrollieren kann. Das erzeugt Ängste und Sorgen
a) vor dem Scheitern.
b) um die eigene Work-Life-Balance.

Bei Frauen ist das übrigens doppelt so häufig und doppelt so stark ausgeprägt.

 

2. Wir stellen die falschen Fragen.

Wer fragt „Warum wollen so wenige führen?“ gelangt zu Employer Branding, Traineeprogrammen und Gehaltsmodellen. Das sind in diesem Fall aber nicht die richtigen Lösungen.

Fragt stattdessen: „Wie haben wir Führung eigentlich so gestaltet, dass niemand mehr Bock darauf hat?“

Führung wird häufig als Einzelkämpferrolle inszeniert. Als Stress-Upgrade mit Bonus. Als 24/7-Verfügbarkeit. Kein Wunder, dass der „Leadership Track“ für viele wie eine üble Karrierefalle aussieht. Nicht wie eine Chance. Und wenn die Care-Arbeit in der Gesellschaft weiterhin so schief verteilt bleibt, gilt das ebenso weiterhin besonders für Frauen.

 

3. Und dann ist da noch die brutale Kurzfristdenke.

Wenn sich alles um Quartalszahlen dreht, ist kein Platz mehr für langfristiges Denken, nachhaltige Entwicklung oder gute Führung. Führung wird zum Sprint, obwohl es ein Marathon ist. Ergebnis: Weniger Entwicklung, weniger Vertrauen, weniger Mut.

Besonders für Frauen wird das toxisch, weil sie stärker auf langfristige Vereinbarkeit achten (müssen) und dafür keine Strukturen finden.

 

Was also tun?

💡Führung wird dann wieder attraktiv, wenn sie nicht nur fordert, sondern auch fördert. Wenn sie nicht zur Gefahr, sondern zum Möglichkeitsraum wird. Wenn sie nicht als Status, sondern als Beitrag verstanden wird.

👉 Führung ist kein Titel. Führung ist ein Angebot. Macht es annehmbar.

 

Literatur

Warum mentale Erholung wichtig ist und trotzdem die Karriere ruiniert

Mental Health ist zu einem Schlachtruf geworden. Doch wer wird befördert? Die, die niemals abschalten. Die ständig brennen. Die um 23:04 Uhr noch auf Teams tippen.

Willkommen im Entkoppelungsparadox.

Ein klassischer Fall von: gut gemeint, schlecht gemacht.

 

Was ist mentale Entkoppelung?

Entkoppelung meint die Fähigkeit, nach der Arbeit wirklich abzuschalten. Nicht nur den Laptop zuzuklappen, sondern auch mental loszulassen. Das ist kein „Wellness-Gesäusel“, sondern harte Forschung. Meta-Analysen und Längsschnittstudien zeigen: Mentales Abschalten reduziert Burnout, Depression, Schlafprobleme. Es erhöht Wohlbefinden, Kreativität und langfristige Produktivität.

🚨 Und jetzt das Paradox: Wer abschaltet, verliert.

Denn was inhaltlich klug ist, wird sozial sanktioniert. Die gleiche Forschung, die Entkoppelung als gesund beschreibt, zeigt auch: Mitarbeitende, die emotional nicht dauerverfügbar sind, werden als weniger engagiert wahrgenommen. Und sie haben schlechtere Chancen auf Gehaltserhöhungen und Beförderungen. Warum?

⚠️ Weil wir oft nach Sichtbarkeit bewerten und nicht nach Substanz.
⚠️ Weil Dauerfeuer als „Leidenschaft“ gilt, auch wenn es in Wahrheit Überforderung ist.
⚠️ Weil wir Engagement mit Überidentifikation verwechseln.

Das Problem ist nicht Entkoppelung. Das Problem ist unsere kognitive Verzerrung: Wir belohnen Erschöpfung. Nicht Effektivität.

Das ist nicht nur unfair. Es ist auch ökonomisch unsinnig. Denn Entkoppelung ist kein Rückzug, sondern eine Regulationsstrategie für Leistungsfähigkeit. Ein mentaler Muskel, der Energie spart für den Moment, wenn es drauf ankommt.

 

Was Führung tun kann – und tun muss

1️⃣ Bewusst Vorbild sein: Wer selbst nie abschaltet, erzieht Nachahmer. Während ich das schreibe, faulen mir übrigens die Finger weg aufgrund himmelschreiender Bigotterie.

2️⃣ Leistung > Lautstärke: Bewertet nach Output, nicht nach Online-Status. Wer sichtbar leidet, arbeitet nicht automatisch besser.

3️⃣ Abschalten als Stärke framen: Sprecht offen über mentale Erholung. Belohnt sie.

4️⃣ Systeme umbauen: Baut Feedbackstrukturen auf, die Substanz sichtbar machen.

Fangt klein an. Macht Recovery Check-ins zum Teil von Team-Retros. Belohnt die, die Verantwortung für ihre Energie übernehmen. Denn Führung heißt nicht, mehr aus Menschen rauszuholen. Sondern: das Richtige nachhaltig möglich zu machen. Ist alles kein Sprint, sondern Marathon und so. Kennste.

 

Fazit: Gesund sein ist keine Schwäche.

Wer abschaltet, zeigt Verantwortung.
Wer Energie managt, denkt langfristig.
Und wer das erkennt, ist bereit, wirklich moderne Führung zu leben.

👇 Was denkt ihr? Lasst die Kommentare frei fließen. Alles nach 22 Uhr werde ich aber direkt löschen!😉

 

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Trump vs. Musk: Narzissmus und die Unendlichkeit der Egos

Trump vs. Musk – Wenn Narzissmus auf Narzissmus trifft

Zwei Alphatiere. Zwei Egos im XXL-Format. Zwei Männer, die sich selbst feiern – aber gegenseitig halt nur bei Sonnenschein.

👉 Warum die Zusammenarbeit zwischen Donald Trump und Elon Musk zum Scheitern verurteilt war?
👉 Wie man mit narzisstischen Menschen umgeht und was wir dabei von Friedrich Merz lernen können?
👉 Welche Optionen Unternehmen haben?

Im Interview mit dem Handelsblatt geht es genau darum. Wir sprechen über toxische Dynamiken in der Führung, die Entstehung narzisstischer Persönlichkeitsstrukturen und warum ein „Ich zuerst!“-Mindset selten gut für Zusammenarbeit ist. 🤝❌

 

Hier geht’s zum Interview:

🎙️Interview im Handelsblatt: Trump vs. Musk – Macht Narzissmus Zusammenarbeit unmöglich?

 

Ergänzung: Ist autoritäre Führung auf einmal wieder hip?

Letzte Woche ging das Handelsblatt dieser Frage nach und interviewte unter anderem Heike Bruch, Dr. Nicolas von Rosty und mich. Nun flattert mir heute, gnah, eine wahnsinnig tolle Studie zu genau diesem Thema auf den Tisch.

Spoiler vorweg: Je bedrohlicher eine Konfliktsituation, desto größer unsere Sehnsucht nach einem autoritären Leader. 25 Länder, über 5000 Befragte, ein mega cooles (experimentelles) Design. Ganz toll!

👉Die zentrale Botschaft? Intergruppenkonflikte aktivieren archaische Instinkte in uns. Wir bevorzugen plötzlich „starke Persönlichkeiten“, die dominant und kompromisslos auftreten. Vereinfacht gesagt: Krisen wecken den inneren Höhlenmenschen, der sich nach klarer Führung sehnt.

👉 Klingt vertraut? Ist es leider auch. Beispiele gibt’s genug: Putin, Orban, Erdoğan. Autoritäre Typen boomen nicht trotz, sondern wegen Krisen. Warum marschiert die Nationalgarde zu Tausenden in LA auf? Genau.

👉 Was lernen wir daraus? Führungskräfte, die lieber demokratisch und partizipativ führen möchten, brauchen in Krisenzeiten mehr denn je Überzeugungskraft und gute Argumente. Sonst übernehmen schnell wieder die Alpha-Tiere.

Neugierig geworden? Hier die Studie: "Cross-cultural evidence that intergroup conflict heightens preferences for dominant leaders: A 25-country study"

 

Literatur:

 

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Segel setzen reicht nicht – mit klugem Followership auf Kurs bleiben

Wir leben in einer Welt, in der alle führen wollen. CEO, Projektleitung, Scrum Master, LinkedIn-Gurus mit „Vision“. Und inmitten dieser Führungsparty ertönt neuerdings ein mahnender Ruf: „Schaut nicht nur auf die Leader – was ist mit den Followern?“ Aha.🧐

Die neue Mode: Followership ist der geheime Star hinter erfolgreicher Führung. „Aktives Mitdenken“, „Verantwortungsübernahme“, „zielgerichtete Einflussnahme“ – so definieren es Uhl-Bien und Kolleg:innen (2014). Klingt sinnvoll. Klingt engagiert. Klingt… verdächtig nach Führung.

Also vergleichen wir doch mal:

Tja. Da passt kaum ein Blatt dazwischen. 📎 Gutes Followership ist… Führung. Autsch!

 

Wenn alle führen, führt niemand 💥

Doch wenn Followership dasselbe meint wie Leadership – warum sprechen wir dann überhaupt noch über Followership?

Was ursprünglich als Aufwertung der Mitarbeitenden gedacht war, entpuppt sich als semantischer Etikettenschwindel. Die Grenze zwischen Führen und Geführtwerden verschwimmt. Am Ende sind alle irgendwie Leader. Bullshit-Bingo lässt grüßen. 🙃

Aber es kommt noch besser.

 

Die drei Denkfehler der Followership-Forschung 🧠

In einer exzellenten Kritik identifizieren Nicolas Bastardoz und Sofie Adriaensen (2023) drei zentrale Denkfehler:

  1. Follower = direkte Untergebene Studien setzen Follower einfach mit „nicht-Führungskraft“ gleich. Das ist bequem – aber komplett daneben. Einfluss? Zielbindung? Fehlanzeige.
  2. Verhalten bleibt Blackbox Statt echtes Verhalten zu beobachten, wird meist nur gefragt: „Wie schätzt du dich selbst ein?“ Na super.
  3. Downward Followership wird ignoriert Was passiert, wenn Führungskräfte ihren Mitarbeitenden folgen – etwa bei technischem Know-how? Genau: nix. Wird kaum erforscht.

Kurzum: Wissenschaftlich fragwürdig, begrifflich verschwommen, praktisch redundant.

 

Warum folgen wir eigentlich? 🔍 Ein Blick in die Evolution

Aber trotz allem: Die Frage ist faszinierend. Warum folgen sie überhaupt?Warum geben Menschen freiwillig Autonomie auf? Was soll das?

Die Antwort liefert – wie so oft – die Evolution. 🌱 Nicolas Bastardoz (ja, der schon wieder, folgt ihm, er ist super!) & Marc van Vugt analysieren Followership als adaptive Strategie, um Koordination in Gruppen zu ermöglichen.

Menschen folgen, wenn es sich lohnt. Rational, freiwillig, kontextabhängig.

 

Vier gute Gründe für Followership

Mit anderen Worten: Followership ist situativ – nicht moralisch. Es ist kein Tugend-Katalog. Es ist Strategie.

 

Was also tun? Drei Wege in die Praxis 🚀

Followership ist kein Etikett, das man verteilt – sondern ein Verhalten, das entstehen kann, wenn die Bedingungen stimmen.

Hier drei Wege, wie du Followership intelligent gestalten kannst – als Führungskraft, Coach oder Organisationsentwickler:

1. Downward Followership lernen 💡

Lass los – und lerne zu folgen, wenn andere mehr wissen.

2. Soziale Distanz abbauen 🤝

Nähe schlägt Status. Immer.

3. Psychologische Sicherheit schaffen 🔐

Nur wer sich sicher fühlt, folgt freiwillig.

 

Fazit 🎯

Followership ist kein moralischer Orden. Es ist kein netter Soft Skill für den Flurfunk. Es ist ein adaptiver Mechanismus, der in guten Teams bewusst erlaubt und ermöglicht wird.

Gutes Followership ist eben nicht Leadership. Aber gute Führung schafft Räume, in denen man klug folgen kann.

Wenn du es richtig machst, bist du nicht nur ein Leader. Sondern auch mal ein richtig guter Follower. Und das ist… Leadership at its best.

Könnt ihr damit was anfangen? Dann lasst hören, teilt den Artikel gerne und klickt auf Folgen.

 

Literatur

Bildquelle: https://unsplash.com/de/fotos/weisse-papierboote-auf-weisser-oberflache-kI1iR7l55FM

„Meine Tür steht immer offen“ – Warum dieser Satz oft mehr schadet als nützt

„Meine Tür steht immer offen“ 🚪

Das klingt nach Offenheit und Zugänglichkeit. Doch in der Praxis kann der Satz für das Gegenteil stehen und deshalb sollte man ebenso selbstkritisch wie vorsichtig sein. Hier drei typische Gründe:

1. Tarnung autoritärer Führung

Nicht alle Führungskräfte haben die Chuzpe eines Felix Magath. Der erklärte seiner verdutzten Mannschaft in der ersten Teambesprechung beim VfB Stuttgart, dass nur die Führungsspieler Krasimir Balakov und Zvonimir Soldo mit ihm sprechen dürfen. Geil oder? Meistens läuft das aber subtiler. Der Satz „Meine Tür steht immer offen“ dient dann dazu, autoritäre Führung zu verschleiern. Die angeblich offene Tür ist nämlich „eigentlich“ geschlossen. Eine Hürde. Nix Mitsprache. Schnauze halten und ran an die Schippe!

2. Laissez-Faire-Führung

Manche Führungskräfte nutzen den Satz, um sich aus der Verantwortung zu ziehen. Dahinter steht häufig eine gewisse Überforderung. Keine Zeit, zu viel zu tun, zu viele Bälle in der Luft. Anstatt sich also proaktiv zu kümmern und auf die Leute zuzugehen, überlassen diese Führungskräfte den Mitarbeitenden die Initiative. Dieses Problem heißt „Laissez-Faire Führung“ und ist durch Passivität und Entscheidungsvermeidung gekennzeichnet. Kurzfristig mag das verführerisch sei („Lasst mich doch alle in Ruhe mit dem ganzen Gesabbel, hier brennt die Hütte!“), langfristig isses aber eine sehr schlechte Idee. Gebt dem Impuls bitte nicht nach.

3.  Kaschieren von Unsicherheit

„Meine Tür ist immer offen“ kann auch Unsicherheit verbergen. Gerade in schwierigen Zeiten ist Transparenz jedoch wichtig. Zieht Euch also nicht ins Schneckenhaus zurück. Teilt Eure Unsicherheit, wenn auch dosiert. Das ist eine Balance. Ihr werdet u.a. für einen breiten Rücken bezahlt, aber ne komplette Schweigezone ist auch doof. Führungskräfte, die sich nicht trauen, aktiv auf ihre Teams zuzugehen, verstecken sich gerne hinter der vermeintlich offenen Tür. Das wiederum kann schnell in Unsicherheit, Desorientierung und Unzufriedenheit des Teams münden.

🔄 Fazit

Echte Offenheit braucht mehr als eine offene Tür. Die allein schafft keine offene Kommunikation. Echte Führung erfordert aktives Zuhören, proaktives Handeln und den Mut, auf Menschen zuzugehen. So entsteht ein Klima des Vertrauens, des Miteinanders und der Zusammenarbeit.

Parallel ist der Satz „Meine Tür steht immer offen“ natürlich keineswegs verwerflich. Aber horcht vor dem Aussprechen noch mal in Euch hinein.

Geht es Euch wirklich um Transparenz, Kommunikation und Mitsprache? Oder wollt ihr womöglich doch lieber Zeit sparen, seid gerade ein bisschen unsicher oder habt aktuell keinen Bock auf Widerspruch? Dann gäbs bessere Alternativen.

👉 Denn eines ist klar: die Leute sind nicht doof und bekommen schnell mit, wie das mit der offenen Tür in Wirklichkeit gemeint war.

Moral ist wie ein Aktienkurs – CEOs verkaufen, wenn der Preis stimmt

Politischer CEO-Aktionismus – Echte Werte oder PR-Show?

"Moral ist wie ein Aktienkurs – CEOs verkaufen, wenn der Preis stimmt." Klingt zynisch? Mag sein. Aber wie oft haben wir es schon gesehen? Gestern Diversity, heute Meinungsfreiheit, morgen vielleicht wieder was anderes – CEO-Statements zu gesellschaftlichen Themen drehen sich gerne im Wind.

 

Was ist das? Überzeugung? Taktieren? Was sagt die Forschung?

Naja. CEOs befinden sich in einer Zwickmühle widerstrebender Interessen und sie lassen sich treiben. Ihre Statements basieren empirisch nachweisbar nicht auf festen moralischen Überzeugungen, sondern auf öffentlichem Druck. Kurzfristig mag das unabdingbar wirken – langfristig untergräbt es Vertrauen. Hier kommt die Signaltheorie ins Spiel.

Superkurz erklärt: Starke Signale sind teuer – Opportunisten können sie sich nicht leisten, daher sind sie glaubwürdig. Schwache Signale sind billig – kann man senden, ohne es ernst zu meinen. Was passiert mit Diversityprogrammen bei uns, wenn der Druck zunimmt? Noch sind die Signale billig und alle an Bord.

 

Weitere Beispiele

➡️ Enge Zusammenarbeit, dann abrupte Distanzierung – Erst zum eigenen Vorteil mit politischen Akteuren kooperieren, doch bei öffentlichem Druck schnell aufhören.

➡️ Doppelmoral international – In der westlichen Welt für Meinungsfreiheit eintreten, aber in regulierten Märkten von Diktaturen stillhalten.

➡️ Soziale Verantwortung auf Hochglanz – Große Worte zu Nachhaltigkeit, doch in der Lieferkette bleibt alles beim Alten.

Parallel sollten wir nicht bigott verurteilen. Es muss ein Rahmen geschaffen werden, der wertebasiertes Handeln belohnt. In einem Wettbewerbsumfeld mit krass unterschiedlichen Spielregeln ist das schwierig. Siehe aktuell z.B. die desaströsen Standards von Temu & co. Ehrbare Kaufleute haben massive Nachteile.

 

Was bedeutet das für uns?

✅ Ebene der Gesellschaft: Bald sind Wahlen. Wir brauchen einen politischen Rahmen, der das ökonomische Spielfeld fair gestaltet. Deutschland ist alleine zu klein. Bitte wählt für Europa.

✅ Unternehmensebene: Frühzeitig Position beziehen, Werte im Geschäftsmodell verankern, klare Begründungen für Entscheidungen liefern.

✅ Persönliche Ebene: Popo hochkriegen. Marc Zuckerberg als Wendehals beschimpfen und selbst WhatsApp statt Signal nutzen? Wann habt Ihr zuletzt bei Amazon statt bei Otto bestellt? Noch auf Twitter/X? Kennt & nutzt Ihr Alternativen? Sowas halt. Klein anfangen.

 

Fazit

Wer U-Turns machen möchte, sollte Auto fahren. Führung braucht glaubhafte Orientierung. Oder wie es Maggie Thatcher ausdrückte: "You turn if you want to. The lady's not for turning."

💬 Eure Meinung? Wie können wir gesellschaftliches Engagement und unternehmerische Glaubwürdigkeit balancieren? Diskutiert gerne in den Kommentaren. Dort gibts wie immer auch die Literatur! Ansonsten: Falls Euch die Inhalte gefallen, teilt gerne den Beitrag!

 

Literatur

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Wie bleibt Neugier in Organisationen lebendig?

Was macht eine Organisation wirklich innovativ? Kann man Neugier planen? Und geht das aktiv, dauerhaft und nachhaltig? 🚀

Genau das haben Barbara Slavich , M. Pilar Opazo und Ignasi Capdevila in einer spannenden Studie untersucht.

Der Kern der Entdeckung: Neugier ist nicht nur ein individuelles Phänomen, sondern kann als kollektive Kraft in Organisationen wirken. Damit das gelingt, muss eine gute Balance auf zwei Ebenen gefunden werden.

 

1. Provokationen: geplant & spontan

Organisationen können gezielt Neugier anstoßen – und gleichzeitig Raum für spontane Aha-Momente lassen. "Provokationen" können also kodifiziert und nicht kodifiziert sein.

1️⃣ Kodifiziert: Hierzu zählen geplante Räume und Rituale, die Neugier gezielt entfachen, z.B. über strukturierte Reflexionsrunden und die systematische Konfrontation mit Ungewissheiten.

2️⃣ Nicht kodifiziert: Dazu gehören spontane Inputs wie überraschende Fragen oder unerwartete Entdeckungen – „Eureka“-Momente im Alltag.

 

2. Die richtige Mischung aus Spannung & Entspannung

"Stretching" bringt Leben in die Bude und verhindert Stagnation. Durch bewusste Unterbrechungen und Perspektivwechsel bleibt der Wissenshunger lebendig.

Dauerfeuer ist aber keine gute Idee, "Relaxing" durch Pausen und mentale Ruhe entsprechend wichtig. Einfache Tips: Ein Spaziergang oder bewusst ungeplante Zeit im Kalender sind förderlich, um neugierig zu bleiben. Ich probiere das übrigens seit einiger Zeit selbst aus. Abwechselnd täglich entweder ne Stunde Jogging oder ein Kreativitätsblock. Das pustet das Hirn durch und gibt Kraft.

 

📌 Takeaway

Neugier ist mehr als ein netter Bonus – sie ist der zentrale Antrieb für Lernen, Kreativität und echte Innovation. Und das Beste: Organisationen können Neugier systematisch fördern. Dafür braucht es klug gestaltete Routinen und bewusste Impulse im Alltag.

Wenn Organisationen gezielt Räume für Reflexion und neue Perspektiven schaffen, überraschende Inputs zulassen und gleichzeitig auf eine gesunde Balance zwischen Anspannung und Entspannung achten, wird Neugier zur kollektiven Kraft und zur echten Innovationsstrategie.

Was macht eure Organisation, um Neugier zu fördern?💬

 

Quellen: